Was nehmen Sie aus der Städtepartnerschaft zwischen Magdeburg und Le Havre mit, deren 11-jähriges Jubiläum dieses Jahr gefeiert wird?

Dr. Lutz Trümper: Diese deutsch-französische Städtepartnerschaft, die im Vergleich zu anderen noch recht jung ist, wird von vielen verschiedenen Akteur*innen in beiden Städten getragen und gelebt. Die Corona-Pandemie hat diese Partnerschaft auf die Probe gestellt. Viele Begegnungen und Projekte konnten nur digital stattfinden oder mussten je nach Infektionsgeschehen komplett abgesagt werden, da Reisen und Begegnungen nicht möglich waren. Ich bedauere auch sehr, dass das großartige Engagement, welches unsere Freunde in Le Havre in die Vorbereitung der Feierlichkeiten im Dezember 2021 gesteckt haben, ebenfalls der Pandemie zum Opfer gefallen ist. Viele Kulturschaffende aus Magdeburg und auch ich selbst mussten die Reisepläne im letzten Moment absagen.

Nichtsdestotrotz haben wir im Jubiläumsjahr 2021 viele Projekte durchführen können. Beispielsweise haben Brauer aus beiden Städten ein spezielles deutsch-französisches Bier gebraut. Es gab eine Vielzahl von französischen Buchlesungen für die jüngere Zielgruppe in Magdeburg. Natürlich haben wir auch die digitalen Medien genutzt, um Videos und Podcasts zu produzieren. Zudem haben wir über mehrere Wochen eine wunderbare Ausstellung zur Architektur beider Städte im Saal der Partnerstädte im Alten Rathaus gezeigt und haben damit einen Ort für Gespräche und Austausch geschaffen. Einige offizielle Besuche konnten zum Ende des Jahres 2021 auch stattfinden. Ebenso stellten die Magdeburger*innen ihr Wissen über die Partnerstadt in einem Quiz unter Beweis und konnten attraktive Preise gewinnen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nach zweijähriger Pause auch wieder Bürgerreisen und Schüleraustausche durchführen werden und die Menschen beider Städte zusammenbringen.

Édouard Philippe: Ich nehme zunächst eine Ambition für die jungen Menschen unserer beiden Städte und unserer beiden Länder mit. Diese Zusammenarbeit hat Synergien und eine Austauschdynamik geschaffen, insbesondere in den Bereichen Kunst und Sport. Ich fühle mich dieser Freundschaft zutiefst verbunden. Meiner Meinung nach müssen wir alles tun, um die Entdeckung anderer Kulturen, Sprachen und Länder zu fördern. Die Zusammenarbeit zwischen Le Havre und Magdeburg macht das möglich, und darüber bin ich sehr froh.

Was sind die Herausforderungen für die Zukunft, insbesondere für die jungen Menschen in Magdeburg und Le Havre?

Dr. Lutz Trümper: Allgemein und insbesondere bezogen auf die Städtepartnerschaft stehe ich seit jeher mit jungen Menschen im Austausch. Mit großer Freude empfange ich Schülergruppen im Rathaus und komme mit den Jugendlichen ins Gespräch, um ihre Sicht der Dinge zu erfahren und in die städtepartnerschaftliche Arbeit einfließen zu lassen.

Aktuell planen wir in einer Magdeburger Kindertageseinrichtung die Schaffung einer dauerhaften Einsatzstelle für eine*n Freiwillige*n aus dem französischsprachigen Raum, um das dortige Sprachangebot zu erweitern. Vorzugsweise wollen wir junge Menschen aus Le Havre motivieren, ein Jahr nach Magdeburg zu kommen, um den Kindern ihre Sprache und Kultur zu vermitteln und gleichzeitig unseren Alltag mitzuerleben.

Da viele Jugendbegegnungen, sei es in den Schulen, Sportvereinen oder Musikschulen, nicht wie gewohnt stattfanden, ist es auch unsere Aufgabe, wieder aktiv für den Austausch zu werben und die jungen Menschen zu ermuntern, die Partnerstadt zu entdecken.

Diese wertvollen Erfahrungen und Begegnungen prägen junge Menschen nachhaltig und sind der Grundstein für ein verständnisvolles und friedliches Miteinander zwischen Nachbar*innen und Europäer*innen.

Édouard Philippe: Die Pandemie hat das traditionelle Modell der Aufnahme von Familien aus Le Havre und Magdeburg auf den Kopf gestellt. Um die Verbindung zwischen unseren beiden Städten aufrecht zu halten, müssen wir neue Formen des Austauschs erfinden und neue Gelegenheiten für Begegnungen zwischen Franzosen und Deutschen schaffen. Die vom DFJW vorgeschlagenen Wege sind in meinen Augen durchaus zielführend.

Was sind die Herausforderungen der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene?

Dr. Lutz Trümper: Auf unsere Städtepartnerschaft bezogen sehe ich aktuell keine großen Herausforderungen. Natürlich hängt das Gelingen einer konstruktiven Zusammenarbeit von Vertrauen und viel Engagement auf beiden Seiten ab. Diese Elemente gepaart mit einer starken Community, die diese Partnerschaft lebt, finden wir in beiden Städten.

Wichtig ist, dass wir als Kommunen diese auch vorwiegend ehrenamtliche Arbeit würdigen und fördern.

Édouard Philippe: Als General de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer 1963 den Élysée-Vertrag unterzeichneten, legten sie die kommunale Ebene als einen der Pfeiler der deutsch-französischen Zusammenarbeit fest. Das gilt auch noch 60 Jahre später, und ich teile voll und ganz die Ansicht, dass die Gemeinden ein privilegierter Ort sind, um dieses Band der Freundschaft mit Leben zu füllen.

Ich sehe zwei Herausforderungen für die Zukunft. Erstens die Fähigkeit unserer Städte, diese deutsch-französische Zusammenarbeit zu verkörpern, indem sie den Geist des Élysée-Vertrags für die nächsten 60 Jahre fortsetzen und zukunftsfest machen. Wir müssen die gesamte Zivilgesellschaft, unsere Vereine, Sportklubs, Schulen und den öffentlichen Dienst mobilisieren, um die Anzahl an Projekten zu vervielfachen. Ich begrüße übrigens die Arbeit unseres Städtepartnerschaftsvereins Le Havre-Magdeburg und seines Vorsitzenden Fabrice Poret, die sich aktiv dafür einsetzen.

Die andere Herausforderung besteht meiner Meinung nach darin, die verfügbaren Mittel für Städtepartnerschaften zu erhöhen. Das ist mit einer besseren Informationsarbeit über bereits existierende Aktionen und wahrscheinlich auch durch eine Bündelung dieser Mittel möglich. Ich denke, dass interkommunale Organisationen eine Rolle spielen sollten, um bestehende Partnerschaften zu erweitern und kleinere Gemeinden zusammenzufassen, die nicht zwangsläufig die Möglichkeit haben, diese Kooperationen aufzubauen.