Kontext

Das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) beschäftigt sich seit mehr als 50 Jahren mit der Konzeptentwicklung für deutsch-französische Jugendbegegnungen und führt diese durch. Als wertvolle Bausteine für das Zusammenwachsen Europas dienen die Begegnungen dazu, die Bedingungen für einen offenen und solidarischen Austausch zu erproben und zu schaffen.

Entwicklungen wie die zunehmende Verwendung des Englischen und der wachsende Anteil von Jugendlichen aus Familien mit jüngster Migrationserfahrung haben das Thema Mehrsprachigkeit verstärkt ins Zentrum der Begegnungsdidaktik gerückt.

Das von 2016 bis 2019 laufende Forschungsprojekt „Wertschätzung und Entwicklung mehrsprachiger Sprachkompetenzen in deutsch-französischen Jugendbegegnungen“ greift daher das Anliegen des DFJW auf, ein größeres Augenmerk auf die Mehrsprachigkeit der Teilnehmenden an deutsch-französischen Begegnungen zu legen.

Unser besonderes Interesse gilt also einerseits den Migrationskontexten und Migrationsfolgen und andererseits den Sprachpraxen und der Dominanz des Englischen im Mikro-Kontext der Begegnungen Jugendlicher in unseren heterogenen Gesellschaften.

 

Zielsetzungen

Die Jugendbegegnungen werden von Sprachanimateur*innen geleitet, die vom DFJW ausgebildet wurden und den Auftrag haben, die gesellschaftliche Öffnung hin zu Sprachenvielfalt und heterogenen kulturellen Praxen zu begleiten. Die von ihnen angewandten Methoden sind entscheidend für die erfolgreiche Durchführung der Jugendbegegnungen im Sinne der Kriterien des DFJW.

Dieses Forschungsvorhaben möchte dazu beitragen, die Ausbildung von Sprachanimateur*innen in Bezug zu der hybriden Lebenswirklichkeit Jugendlicher zu setzen und entsprechend weiterzuentwickeln. Dazu sollen geeignete Settings und Methoden entwickelt werden, die die vorhandene Mehrsprachigkeit nicht als Hindernis verstehen, sondern als Antrieb, sich anderen zu öffnen und mit anderen Sprachen und Kulturen in Dialog zu treten. Es gilt, Teilnehmende sowie Sprachanimateur*innen dazu anzuregen, neu über Sprachen und Sprachgebrauch nachzudenken, so über die Sprache ihrer Partner*innen, aber auch explizit über die deutsch-französische Zweisprachigkeit hinausgehend.

Diese Methoden und Anregungen sollen in Form von Videoressourcen und Begleitmaterial für die Fortbildung der Sprachanimateur*innen als Ergebnis dieses Forschungsprojektes entstehen.

 

Forschungsfragen

Zur Erarbeitung von relevanten Lehrmethoden und -materialien wird die folgende Frage gestellt: „Wie wird in deutsch-französischen Begegnungen die Mehrsprachigkeit / sprachliche Heterogenität / sprachliche Diversität wachgehalten?“

Insbesondere wird untersucht, wie frühere Mehrsprachigkeitserfahrungen der Teilnehmenden zu den Zielen der Begegnung beitragen und sie bereichern können.

Einerseits gilt es dabei, die Rolle des Englischen zu erkennen, das sich in internationalen Begegnungen als Verständigungssprache etabliert hat und als wichtigste Fremdsprache in den Bildungssystemen beider Länder im Sprachenrepertoire der Teilnehmenden stark vertreten ist.

Darüber hinaus wird die Bedeutung anderer Sprachen erkundet, also die Herkunftssprachen von Jugendlichen mit eigener oder familiärer Migrationserfahrung sowie der Gebrauch von Regionalsprachen wie z.B. Elsässisch. Welchen Platz nehmen die Sprachen bzw. Sprachvarianten in informellen Kommunikationssituationen ein, wie werden die Sprachvarianten durch Sprachanimation evoziert, werden sie als nebensächlich etwa übergangen?

Neben dem konkreten Sprachgebrauch in den Begegnungen sind sowohl die subjektiven Haltungen und Einstellungen der Jugendlichen als auch der Sprachanimateur*innen zu den jeweiligen Sprachen von Interesse. Wie entstehen diese und wie werden sie bei Begegnungen geäußert oder erkennbar?

Unter erweitertem Aspekt erforscht das Projekt auch verschiedene Formen von Sprachnormen in den Begegnungen; diese können die Sprachenwahl betreffen oder lexikalisch, syntaktisch oder kommunikativ sein.

 

Methodik und Vorgehensweise

Unter methodologischem Aspekt basiert unser Projekt sowohl auf Feld- als auch auf Aktionsforschung.

Im Rahmen unserer ethnographischen Feldforschung beobachten wir Sprachpraktiken in vom DFJW geförderten bi- und trilateralen Begegnungen, um aktuelle Kommunikations- und Animationspraktiken zu dokumentieren und zu interpretieren. Dazu bedienen wir uns ethnografischer Erhebungsinstrumente wie Gesprächen, Aufzeichnungen von Interaktionen und der teilnehmenden Beobachtung.

Die Komponente der Aktionsforschung in unserem Projekt untersucht neue Schulungspraktiken und deren Erprobung in Jugendbegegnungen. Dabei stützen wir uns auf die Kooperation mit dem Ausbilder-Pool, einer Gruppe von Ausbildenden, welche die Sprachanimateur*innen fortbilden und vom DFJW zweimal jährlich zum Gedanken- und Methodenaustausch eingeladen werden. Die partizipative bzw. kollaborative Dimension unserer Aktionsforschung basiert darauf, alle beteiligten Gruppen in den Prozess der Frageformulierungen und der Erarbeitung von Handlungsvorschlägen einzubeziehen, nach Möglichkeit sogar die Teilnehmenden der Begegnungen.

Die Feld- und Aktionsforschung sind dabei komplementär. Im Rahmen der gemeinsamen Interpretation beobachteter Praktiken im Feld soll zunächst abgewogen werden, ob Mehrsprachigkeit als Triebmittel zu mehrsprachiger Praxis oder als Bremse anzusehen ist. Es soll eingeschätzt werden, welche Praktiken für den Pool besonders hilfreich sind und verstärkt gefördert werden sollten. Zusammen mit dem Pool wählt die Forschungsgruppe sprachförderliche Praxen zur Erprobung aus, die dann überprüft und weiterentwickelt werden können. Der bei der Erprobung in Jugendbegegnungen gemachte Fortschritt wird anschließend wieder dokumentiert und ausgewertet.

 

Publikation

Der abschließende Forschungsbericht präsentiert die Ergebnisse der Feldforschung und eine Zusammenfassung der Aktionsforschung als DFJW Arbeitstext. Teil der Auswertung des Forschungsprojekts sind auch Tagungsbeiträge und Aufsätze in thematischen Sammelbänden oder anderen Publikationen.

 

Mitglieder der Forschungsgruppe in alphabetischer Reihenfolge

  • Violaine Bigot, maître de conférences, Université Paris 3, Didactique des langues, des textes et des cultures (DILTEC), Sorbonne Nouvelle, Paris
  • Lucie Galissot, étudiante en Master, Université Paris 3, Didactique des langues, spécialité Français Langue Etrangère, Langue Seconde et Interculturalité, Paris
  • Alice Levy, doctorante, Université Paris 3, Sorbonne Nouvelle, Paris
  • Prof. Dr. Olivier Mentz, Pädagogische Hochschule Freiburg, Dekan der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften, Freiburg  i. Br.
  • Sarah Mutschler, étudiante en Master, université Paris 3, Didactique des langues, spécialité Français Langue Etrangère, Langue Seconde et Interculturalité, Paris
  • Dr. phil., Ingelore Oomen-Welke, Professorin i.R. für deutsche Sprache und Sprachdidaktik, Pädagogische Hochschule, Freiburg i.Br.