#5 Städtepartnerschaften: Stabübergabe an die junge Generation

Frank Baasner

Es gibt immer weniger kommunale Partnerschaften. Stimmt das?

Ein klares „Nein“ kommt von Prof. Dr. Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg. Das Gegenteil sei der Fall, denn vielmehr erleben kommunale Partnerschaften eine Renaissance und beleben den europäischen Gedanken. Aktuell entwickelt sich ein Bewusstsein dafür, dass auch der ländliche Raum und die kommunale Ebene der Ort sein können, an dem Europa konkret erfahrbar wird.   Eigenverantwortliches und sinnvolles Handeln motiviert. Besteht die Herausforderung also darin, die junge Generation für ein dauerhaftes Engagement in Vereinsstrukturen zu gewinnen? Wie können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mehr Verantwortung übernehmen und gleichberechtigt in Entscheidungsprozesse eingebunden werden? Und was ist so besonders an der deutsch-französischen Zusammenarbeit, von der auch Städtepartnerschaften profitieren können?

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⁣Auf einen Blick

Potential und Probleme
Kommunale Partnerschaften erleben eine Renaissance. Sie machen die Realität europäischer Gemeinschaft für die Menschen praktisch erfahrbar. Die kommunale Zusammenarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung gerade der jüngeren Generation. Dennoch haben die Partnerschaften – auch die deutsch-französischen – mit Problemen zu kämpfen. In vielen Fällen gelingt es nicht, junge Menschen in die Arbeit zu integrieren.

Mehr Anreiz für die Jugendlichen
Die Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen ist in den Aktivitäten der deutschf ranzösischen Partnerschaften tatsächlich unterrepräsentiert. Oft sind die Vereinsstrukturen für Jüngere wenig attraktiv. Dauerhafte Verbindlichkeit in starren Strukturen und hohe Anforderungen an die Ausbildungs- oder Berufsmobilität passen nicht zueinander. Ähnliches gilt für die Aktionsformate: Reisen in die Partnerstadt mit dem Ziel eines reinen Treffens ist für eine Generation, die mit Mehrsprachigkeit und Multikulturalität groß geworden ist, kein ausreichender Anreiz.

Ein neues Narrativ
Erschwerend kommt hinzu, dass das für die Partnerschaftsbewegung grundlegende Narrativ von Aussöhnung und Annäherung für die Jugend des 21. Jahrhunderts nicht mehr zugkräftig genug ist. Um junge Erwachsene für die Partnerschaftsarbeit zu motivieren, sind klassischen Aktivitäten in Sport und Kultur oder aktuelle Themen (Umwelt, Klima, Integration, Inklusion, Digitalisierung) besser geeignet.

Bereitschaft zum Übergang
Entscheidend für die Zukunft der deutsch-französischen Partnerschaften ist, dass der Übergang von der langjährig aktiven und erfahrenen Generation zu den Jüngeren gelingt. In vielen Fällen sind die oft seit vielen Jahren ehrenamtlich engagierten Personen allerdings nicht bereit, Leitungsaufgaben oder die Verantwortung für ein Projekt abzugeben. Hier liegt Konfliktpotenzial, denn die Jüngeren werden sich nur dann engagieren, wenn sie Aktivitäten eigenverantwortlich bestimmen können. Das schließt das Recht ein, Fehler zu machen.

 

Prof. Dr. Frank Baasner (*1957) ist in Paris, Bonn und Belgien aufgewachsen. Seit 20 Jahren leitet er das Deutsch-Französische Institut Ludwigsburg (dfi). Nach dem Studium der Romanistik und Psychologie in Bonn, Bologna und Paris promovierte er mit einer Arbeit zur europäischen Aufklärung. Er hat seinen Lehrstuhlan der Universität Mannheim. Gastprofessuren führten ihn nach Valencia, Salzburg und Linköping. 2003 wird er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Mainz. Das dfi wurde bereits 1948 gegründet und ist somit der erste der Einrichtungen, die sich der deutsch-französischen Zusammenarbeit widmen. Die wichtigste Aufgabe des dfi spielt sich an der Schnittstelle zwischen Politik und Zivilgesellschaft ab. Das dfi ist ein außeruniversitäres Forschungs-, Dokumentations- und Dienstleistungszentrum. Themenschwerpunkte sind die Aktualität in Frankreich und die deutsch-f ranzösischen Beziehungen. Mit seinen Publikationen und Kommentaren trägt das dfi seit 75 Jahren zur politischen Öffentlichkeit bei.