„Jazda! – Europa in Bewegung“ lautet der Titel einer Ausstellung, die im gleichnamigen deutsch-französisch-polnischen Projekt entstanden ist. Der Name steht symbolisch für das, was trilaterale Projekte ausmacht: Nicht nur aus den Nachbarländern Deutschland und Frankreich, sondern aus ganz Europa kommen Jugendliche zusammen. Sie bewegen sich in drei Mobilitätsphasen durch Europa, lassen sich bewegen von den Erfahrungen, die sie dabei machen, und bewegen ihrerseits Europa durch die Perspektiven und Aktivitäten, die der Austausch hervorgebracht hat.
Was macht trilaterale Projekte besonders?
Trilaterale Programme werden seit 1976 durch das DFJW gefördert. Ausgehend von der positiven Versöhnungserfahrung zwischen Deutschland und Frankreich wollten die Initiator:innen weitere Länder in die Idee europäischer Verständigung einbeziehen. Auf erinnerungspolitischer und pädagogischer Ebene bedeuten Projekte mit trilateralen Gruppen, dass sich die Karten ständig neu mischen. Statt in „wir“ und „die“ zu denken, verändert sich das Rollengefüge in triangulierender Weise fortwährend und gibt der Vielfalt von gesellschaftlichen Standpunkten Raum.

Die Erfahrungen, die junge Menschen in solchen Projekten machen, sind prägend für ihren weiteren Lebensweg. So berichten Teilnehmende unseres Projektes „Jazda!“, dass sie mehr Selbstvertrauen in Bezug auf ihre Sprachkenntnisse und größere Offenheit gegenüber anderen Menschen erlangt hätten. Ebenso konnten sie ein Bewusstsein für die Bedeutung deutsch-französisch-polnischer Beziehungen entwickeln. Manchmal führt ein Projekt aber auch zu ganz praktischen Veränderungen im Leben, zum Beispiel durch den Umzug in eine Stadt, die man kennengelernt hat. Oder man vertieft bestimmte Fähigkeiten, die einen für einen neuen Job qualifizieren oder jungen Menschen im Berufsleben weitere Türen öffnen. Am wichtigsten bleibt jedoch die Begegnung: In Austauschprojekten sind bereits langlebige Freundschaften entstanden. Viele Teilnehmende erzählen, dass sie in Projekten Gemeinschaft gespürt haben und Hoffnung für die Zukunft schöpfen konnten.
Aus der Perspektive der Organisierenden ist die Zufriedenheit der Teilnehmenden ein wichtiger Erfolg. Doch auch als Teammitglied habe ich in trilateralen Projekten eine Menge gelernt. Als Person, die sich dank ihrer Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrungen in der deutsch-französischen Welt sehr vertraut bewegt, waren Projekte wie „Jazda!“ auch für mich immer eine Chance, ein neues Land und eine neue Sprache kennenzulernen und meinen eigenen Horizont zu erweitern.

Aus der Praxis: Wie können trilaterale Projekte gelingen?
Mehr Sprachen, mehr Mobilitätsphasen, mehr Partner:innen, mehr Teilnehmende: Das alles mündet in einem Zuwachs an Perspektiven, aber auch in einem höheren Aufwand an – durchaus lohnender – Organisation. Gibt es im Team eine Sprache, in der sich alle verständigen können? Welche Sprachen sind innerhalb der Gruppe vorhanden und wie können sie wertschätzend zum Einsatz kommen? Während in binationalen Begegnungen das Erlernen der Sprache der jeweils anderen Gruppe oft eine wichtige Rolle spielt, repräsentieren die Sprachen in trilateralen Projekten die Vielfalt der Teilnehmenden. Sie sind vielmehr ein Anlass, um miteinander in den Austausch zu kommen.
Zudem ist die mehrsprachige Projektsituation nicht nur kulturell wertvoll. Sie dient auch der Sensibilisierung der Teilnehmenden für mehrsprachige Kontexte im Alltag: So können Teilnehmende wie Organisator:innen im kleinen Rahmen Strategien erproben, wie Übersetzungen und Verdolmetschungen so organisiert sind, dass Sprachen keine Barriere darstellen und alle gleichberechtigt teilhaben können.

Abgesehen von einem klugen Umgang mit Mehrsprachigkeit ist es erfahrungsgemäß sinnvoll, das eingebundene Netzwerk zu kennen: Wer hat welche Kapazitäten, wer kann welche Verantwortung übernehmen, wo können externe Partner:innen eingebunden werden? Auch wenn in Projekten mit drei Phasen mehr als in binationalen Projekten zu organisieren ist, lässt sich die Arbeit gleichzeitig auf mehrere Schultern verteilen. Zudem sind in einem größeren Team mehr Talente vorhanden – auch das kommt dem Projekt zugute.
Nicht zuletzt scheint es von Vorteil zu sein, die Entscheidungsfindung und Machtfragen vorab zu klären. Gerade, wenn die Teilnehmenden aus drei Ländern mit politisch und wirtschaftlich unterschiedlichen Ausgangslage kommen, hilft es dem Projekt, wenn sich das Team eine faire Struktur überlegt, die diese Ungleichheit berücksichtigt. In den Projekten, in denen ich mitgewirkt habe, führte ein ehrliches Ansprechen solcher Themen meist dazu, dass die Partnerschaft im Netzwerk fester und nachhaltiger wurde.

In die Zukunft: Wie geht es weiter?
Das Projekt „Jazda!“ hat bereits in zwei Projektzyklen mit jeweils drei Phasen stattgefunden. Thematisch ging es um Migration, Identität und Erinnerungskultur sowie um die gemeinsame europäische Geschichte, die die drei Projektpartner miteinander verbindet:
Das Museum Friedland dokumentiert und vermittelt die Geschichte des Grenzdurchgangslagers Friedland, einer Aufnahmeeinrichtung für schutzsuchende Menschen, die nunmehr seit 80 Jahren in Betrieb ist.
Die Stiftung Kreisau für europäische Verständigung erinnert an das Erbe des Kreisauer Kreises und setzt dessen Ideen durch die internationale Jugendbegegnungsstätte um. Kreisau/Krzyżowa liegt zudem in einer Region, aus der viele Menschen über Friedland nach Westen migrierten.
Das Foyer International d’Études Françaises (FIEF) wurde von einem deutsch-jüdischen Widerstandskämpfer gegründet, der nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs einen Ort der Begegnung für Menschen unterschiedlicher Länder schaffen wollte.
Weitere Partner wie die Stiftung Site-Mémorial du Camp des Milles oder der Internationale Bund (IB)reihen sich mit ihren Ansätzen der Erinnerungskultur, Friedenserziehung und der Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement in dieses Themenfeld ein.

Doch nicht nur institutionell und inhaltlich hat „Jazda!“ ein Netzwerk gespannt: Es sind vor allem die Teilnehmenden selbst, die an unterschiedlichen Orten in Deutschland, Frankreich und Polen leben und wirken. Aus diesem Grund haben wir im August 2025 anlässlich unserer Auszeichnung mit dem Weimarer-Dreieck-Preis das Jazda-Netzwerk gegründet – und damit eigentlich nur formalisiert, was an Verbindungen in der Praxis bereits besteht. Innerhalb dieses Netzwerks werden nun nicht mehr nur die Austauschphasen stattfinden, sondern es wird auch dezentrale Aktivitäten geben, um möglichst noch mehr Menschen am „Jazda-Spirit“ teilhaben zu lassen.
„Jazda!“ steht als trilaterales Projekt beispielhaft dafür, was Europa sein kann: Ein Ort, an dem sich Menschen frei bewegen und begegnen können. Die politische Praxis sieht derzeit leider anders aus. Umso wichtiger ist es, dass trilaterale Austauschprojekte weiterhin möglich sind. Sie stiften Gemeinschaft und ermutigen alle Beteiligten – Teilnehmende wie Teammitglieder – auch außerhalb des Projekts Brücken zwischen Menschen zu bauen.


Anna-Louise hat trilaterale Projekte 2016 während ihres Praktikums beim DFJW kennengelernt und ist in diesem Themenfeld geblieben. Als interkulturelle Gruppenleiterin und Gruppendolmetscherin sammelte sie bei „Une Terre Culturelle“ (Marseille) und Kijuga e. V. (Berlin) mehrjährige Erfahrungen im euro-mediterranen Jugendaustausch. Dieses Wissen brachte sie ins Museum Friedland mit und initiierte dort 2021 das deutsch-französisch-polnische Projekt „Jazda!“, das 2025 mit dem Weimarer-Dreieck-Preis ausgezeichnet wurde.

Blog "Die Jugend hat das Wort"
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