Wie haben Sie von diesem Programm erfahren? Warum wollten Sie daran teilnehmen?

Meine Deutschlehrerin in der 9. Klasse hat mir von diesem Programm erzählt. Sie hatte darüber vom DFJW gehört. Zu der Zeit wollte ich unbedingt reisen, ich war neugierig. Außerdem hatte ich bereits im Jahr zuvor einen Austausch im Rahmen einer Städtepartnerschaft gemacht. Das hatte mir gefallen. Also habe ich die Anmeldeunterlagen abgeschickt, stand aber zunächst auf der Warteliste. Am Ende hat es dann doch geklappt.

Hatten Sie vor Ihrer Teilnahme schon gutes Deutschkenntnisse?

Im Collège hatte ich Deutsch als zweite Fremdsprache gewählt. Ich hatte also nur 2 Jahre Deutsch vor meiner Abreise gelernt. Mein Deutsch war nicht sehr gut, aber es reichte aus, um teilzunehmen. In Deutschland habe ich alle Kurse mit meiner Austauschpartnerin besucht. Anfangs war es schwierig, alles zu verstehen und den Gesprächen auf Deutsch zu folgen. Aber nach einem Monat konnte ich alltägliche Gespräche verstehen. In der Schule war es anfangs einfacher, den naturwissenschaftlichen Fächern zu folgen als den geisteswissenschaftlichen. Nach meiner Rückkehr habe ich mich dann für Deutsch als erste Fremdsprache umentschieden, weil ich mich damit wohler fühlte als mit Englisch.

Wie haben Sie diese Erfahrung erlebt?

Es das erste Mal in meinem Leben, dass ich geflogen bin. Ich reiste in eine Stadt, von der ich noch nie gehört hatte, war bei Menschen, die ich nicht kannte, mehr als 1.500 km von zu Hause entfernt. Das war natürlich mit ein bisschen Aufregung verbunden. Vor Ort wurde ich sehr herzlich von meiner Gastfamilie empfangen. Ich fühlte mich sofort wohl. Sie hatten bereits im Vorjahr eine Austauschschülerin aufgenommen. Daher kam ich schnell in der Familie an und lebte mich auch rasch in der Schule ein. Ich habe viel mit der Familie unternommen, zum Beispiel sind wir während der Sommerferien an die Ostsee gefahren.

Hat das Voltaire-Programm Ihr Leben verändert? Und wenn ja, inwiefern?

Meine Austauschpartnerin und ich waren während des Programms, das erst 6 Monate in Deutschland und dann weitere 6 Monate in Frankreich stattfindet, ein Paar. Während des restlichen Schuljahres hatten wir dann eine Fernbeziehung und haben versucht, uns in den Schulferien zu sehen. Meine Schwester hat 5 Jahre nach mir am Programm teilgenommen.

Was waren Ihre prägendsten interkulturellen Erfahrungen?

Es gibt natürlich viele interkulturelle Unterschiede. Hier sind einige Beispiele:

Meine Austauschpartnerin fuhr mit dem Fahrrad zur Schule, wie die meisten ihrer Mitschüler:innen. Das war sehr anders als bei mir in Frankreich.
Die Mahlzeiten waren sehr unterschiedlich zu unseren Essgewohnheiten in Frankreich: Zum Beispiel ist das „Abendbrot“ (das Abendessen, bei dem man Brot mit Wurst und Käse isst) ein echter Kulturschock.
Die Vorstellungen von Pünktlichkeit gehen in Deutschland und Frankreich auseinander: Ich finde es unhöflich, 15 Minuten vor einem Treffen zum Abendessen bei jemandem zu erscheinen. In Deutschland ist es hingegen unhöflich, 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit zu kommen.
In deutschen Schulen haben die Schüler:innen festen Klassen, während man in Frankreich jede Stunde die Klasse wechselt. Sport war in der deutschen Schule sehr wichtig, mit einem Fokus auf Selbstüberwindung. Es gab eine Tafel mit allen Schulrekorden in verschiedenen Sportarten. Der Gedanke, sich durch Wettkämpfe zu verbessern, war sehr verankert.
Das gilt auch für das Fach Musik: In Frankreich gibt es ab der Oberstufe keinen verpflichtenden Musikunterricht mehr, während viele Schüler:innen in Deutschland diese Option wählen können.
Der größte Unterschied zwischen Schulen in Deutschland und Frankreich ist allerdings der  Fremdsprachenunterricht: Die Schüler:innen in Deutschland trauen sich, in einer Fremdsprache zu sprechen, und die Lehrerkräfte sprechen während des Unterrichts fast nie Deutsch. Wenn jemand ein Wort nicht versteht, wird es mit anderen Worten erklärt. Selbst wenn die Schüler:innen untereinander sprechen, tun sie das in der Fremdsprache.

6. Was würden Sie jungen Leuten und deren Eltern sagen, die vielleicht noch zögern, am Voltaire-Programm teilzunehmen?

Man muss vor allem selbstbewusst sein und keine Angst haben. Man ist nicht allein. Das DFJW ist da, wenn man Fragen hat. Man muss offen sein und sich auf andere einlassen. Jedes Jahr gibt es ein Seminar, bei dem sich die Jugendlichen treffen können. Es tut gut, andere junge Menschen zu treffen, die diese Erfahrung zum gleichen Zeitpunkt machen.
Ein einwöchiger Austausch ist schon gut, um herauszufinden, ob man langfristig diese Erfahrung machen möchte, wie es das Voltaire-Programm anbietet.

Für diejenigen, die denken, dass man dadurch im Schulstoff zurückfallen könnte: Das ist falsch. Es hat mir geholfen, in manchen Fächern Fortschritte zu machen. Das Französischlernen aus deutscher Sicht hat mir vor allem geholfen, meine grammatikalischen Grundlagen im Französischen zu festigen. Am Ende habe ich ein gutes Abitur gemacht, obwohl ich anfangs ein durchschnittlicher Schüler war.
Außerdem haben sich die Kommunikationsmittel enorm weiterentwickelt, und man kann schnell und einfach kommunizieren, wenn man es möchte.

Was haben Sie während des Austauschs über sich selbst gelernt?

Ich habe erkannt, dass ich mit 15/16 Jahren sehr anpassungsfähig bin, auch wenn ich weit weg von meiner Familie bin. Außerdem haben mir das Leben in einer Familie und der Schulalltag geholfen, leichter Deutsch zu lernen.

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Als neugieriger und „mittelmäßiger“ Schüler mit einem Notendurchschnitt zwischen „befriedigend“ und „ausreichend“. Mit dem Austausch ist er richtig aufgeblüht und hat gelernt, sich an eine andere Kultur anzupassen. Heute ist er Vater von 2 kleinen Kindern und hofft, dass sie ähnliche Erfahrungen wie er sammeln werden. 

Steven Hellec
hat 2006/2007 am Voltaire-Programm teilgenommen. Und es hat sein Leben verändert!

Blog "Die Jugend hat das Wort"

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