#4 Über Krieg sprechen, Frieden fördern


Diemut König & Laurent Jalabert

Der Angriff der Ukraine durch Russland jährt sich am 24. Februar zum ersten Mal. In diesem Kontext ist es von entscheidender Bedeutung, dass Organisationen einen sicheren Raum für junge Menschen verschiedener Länder schaffen. So können sie sich auszutauschen und ihr Bewusstsein und Kritikfähigkeit stärken, um Machtmissbrauch besser zu erkennen. Wie können internationale Jugendbegegnungen Verständnis und Zivilcourage wecken?

PANORAMA #4 HERUNTERLADEN

PANORAMA anhören

PANORAMA anschauen

 

Auf einen Blick

Mit Jugendlichen über Krieg und Frieden sprechen
Internationale Jugendbegegnungen eignen sich besonders gut, um über ein schwieriges und komplexes Thema zu sprechen: den Krieg. Mit Russlands Angriff auf die Ukraine ist er nach Europa zurückgekehrt, was eine weitere beängstigende Erkenntnis für uns bereithält: Auch in der globalen Informationsgesellschaft haben Staatspropaganda und Geschichtsfälschung nichts an Wirkung eingebüßt. Umso wichtiger ist es, dass Jugendliche verschiedener Nationen friedlich zusammenkommen. Wer Menschen kennengelernt hat, die den vermeintlich ‚Anderen‘ angehören, ist gegen extreme Diskurse besser gefeit.

Offen und sensibel moderieren
Internationale Begegnungen bieten jungen Menschen die Möglichkeit, für selbstverständlich gehaltene Überzeugungen zu hinterfragen und als eine von vielen möglichen Perspektiven auf die Welt zu erkennen. Dies gilt insbesondere für das Thema Krieg. Um einen Austausch historischer Narrative zu fördern, brauchen die Veranstaltenden aber nicht nur ein hohes Maß an Offenheit und Ambiguitätstoleranz. Sie müssen auch sensibel mit den Spannungen und Schuldgefühlen umgehen, die sich in der Gegenüberstellung von „Täternationen“ und „Opfernationen“ entwickeln können.

Zivilcourage statt Staatsgläubigkeit
Selbst Niederlagen führen nicht immer dazu, dass diktatorische Regime ins Wanken geraten. Einerseits, weil die Bevölk-
erung nur unwillig die Erniedrigung einer Niederlage akzeptiert, andererseits, weil der Krieg vor allem menschliche Opfer
fordert: Wie soll sich ertragen lassen, dass all die Menschen umsonst gestorben sind? Solche Mechanismen müssen den
jungen Menschen begreiflich gemacht werden. Nur dann können sie Zivilcourage und ein Gespür für die Anzeichen von
Lüge und Machtmissbrauch entwickeln.

Politische Jugendbildung stärken
Angesichts des großen Potenzials von internationalen Jugendbegegnungen zum Thema Krieg erscheint es dringend notwendig, die Arbeit außerschulischer Bildungsträger zu stärken und die Kooperationen zwischen Schulen und der politischen Jugendbildung zu intensivieren. Die Förderung solcher gemeinsamen Projekte sollte bei der Antragstellung so einfach wie möglich sein. Die Projektdurchführenden sollten in ihrer Ausbildung mit Methoden zur Offenlegung von Konflikten und deren produktiver Aushandlung in Gruppen vertraut gemacht werden.


 


 

Diemut König (Dipl. Päd.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Sozialwissenschaften der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar). Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften an der Universität Trier hat sie in mehreren Feldern der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet und war forschend in der internationalen Jugendarbeit tätig. Zur Zeit promoviert sie als Stipendiatin der Graduiertenförderung der Hochschulen des Saarlandes GraduSaar und erforscht das Erleben von Kindern und Jugendlichen in erinnerungspädagogischen Jugendbegegnungen.

Laurent Jalabert (Prof. Dr.) Laurent Jalabert ist habilitierter Dozent für Geschichte an der Université de Lorraine (Nancy). Seine Arbeiten befassen sich mit der Thematik des Staates in der Neuzeit, mit Grenzen und konfliktbezogenen Erinnerungsfragen, besonders hinsichtlich der Schaffung von Erinnerungslandschaften. Er hat zu diesem Themenbereich folgende Publikationen veröffentlich: La longue durée de la Grande Guerre. Regards croisés franco-allemands de 1918 à nos jours (mit Reiner Marcowitz und Arndt Weinrich, 2014), Post mortem. Patrie et corps du soldat. Entre l’oubli et la reconnaissance (1914-1918) (2015), Les marqueurs mémoriels de la guerre et de l’armée la construction d’un espace du souvenir dans l’est de la France (XVIe siècle à nos jours) (2022) und „Dynamiken des Erinnerns in der internationalen Jugendarbeit. Geschichte, Gedenken und Pädagogik zum Ersten Weltkrieg“ (mit Nicolas Czubak, Simone Odierna, Diemut König, 2022).