Kommunikation und Sprachanimation bei Jugendbegegnungen

Ziel einer deutsch-französischen oder trilateralen Jugendbegegnung ist, dass die Teilnehmenden der verschiedenen Länder sich näherkommen und sich untereinander verständigen. Um an einem interkulturellen Austausch teilzunehmen, sind Kenntnisse in der Sprache des Partnerlandes bzw. der Partnerländer jedoch keine Voraussetzung.

Man kann immer wieder feststellen, dass die Jugendlichen in internationalen Begegnungen auf spontane Handlungsweisen zurückgreifen, um mit ihrem Gegenüber in Kontakt zu treten, selbst dann, wenn nur sehr geringe Sprachkenntnisse vorhanden sind: Wenn sie um Hilfe bitten, erneut nachfragen, zeigen, dass sie nicht verstanden haben, darum bitten, langsamer zu sprechen oder sich durch Gestik, Mimik oder Zeichnungen verständlich machen, stehen sie schon mitten im Kommunikationsprozess. Aber ohne die vermittelnde Hilfe einer Sprachanimateurin oder eines Sprachanimateurs kommt es nur allzu selten zu echtem Spracherwerb.

Andere schreiben spontan Wörter und Ausdrücke, die sie interessieren, in ein Heft. Auch hier führen diese Aufzeichnungen ohne eine systematische Aufarbeitung nicht zum Erwerb der Sprache. Das gleiche gilt für die während der Begegnung erlernten Lieder und spielerischen Aktivitäten, in denen oft genug Wörter und Ausdrücke gebraucht und schnell wieder vergessen werden.

Sprachanimation hat zum Ziel, diese Strategien ernst zu nehmen, sie den Teilnehmenden bewusst zu machen und ihre Vielfalt aufzuzeigen, damit die Jugendlichen sie anwenden können, um ihre Handlungskompetenz zu erweitern.

Die interkulturelle Begegnung ist der ideale Rahmen für eine Sensibilisierung für die andere Sprache und Kultur. Der Einsatz von spielerischen Methoden der Sprachanimation hilft den Jugendlichen, anfängliche Kontakthemmungen abzubauen, die Angst vor der anderen Sprache zu verlieren und eine deutsch-französische Gruppendynamik aufzubauen. Die Sprachanimation soll den Jugendlichen im Umgang mit anderen helfen und Ihnen aufzeigen, dass Kommunikation auch mit geringen Sprachkenntnissen möglich ist und Ihnen Lust machen, die Sprache nach dem Austausch weiter zu lernen.

Was genau ist Sprachanimation und welche Ziele verfolgt sie?

Sprachanimation ist eine spielerische Methode, die Kommunikation anregt, hilft Sprachbarrieren zu überwinden und dazu motiviert, die jeweils andere Sprache und Kultur zu entdecken.

Sprachanimation stützt sich auf eine langjährige Erfahrung des DFJW in Zusammenarbeit mit seinen Partnerorganisationen im Bereich Sprache. Die Methode wurde ursprünglich im außerschulischen Bereich entwickelt und hat sich seit einigen Jahren auch im Schulaustausch etabliert. Näheres zur Geschichte der Sprachanimation (Projekt Bielefeld ) ist in unserer Broschüre Sprachanimation in deutsch-französischen Jugendbegegnungen nachzulesen  (siehe Literaturhinweise).

Sprachanimation ist kein Selbstzweck, sondern muss in einem Gesamtzusammenhang mit interkulturellem Lernen gesehen werden: Den jungen Menschen soll sie ermöglichen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Denn eine andere Sprache zu lernen, sich ihr zu öffnen, bedeutet immer auch eine Öffnung sich selbst und anderen gegenüber. Erst wenn die Jugendlichen ihren Bedarf dahingehend äußern, kann die sprachliche Sensibilisierung zu einer echten Lerneinheit werden.

Die Sprachanimation hilft, folgende allgemeine pädagogische Ziele einer Jugendbegegnung zu verwirklichen:

  • die Neugier auf das andere Land zu wecken,
  • die Chancen der Begegnung mit Jugendlichen der anderen Kultur wahrzunehmen und zu nutzen,
  • einen Zugang zum anderen Land zu bekommen,
  • die Lust zu wecken, die Sprache und Kultur des Partners zu entdecken und seine eigene Sprache und Kultur zu reflektieren.

Die dabei eingesetzten spielerischen Aktivitäten unterstützen nicht nur den Abbau der Sprachbarrieren, sondern auch den Spracherwerb und eventuell auch die Systematisierung des Erlernten.

Abbau von Hemmungen durch Sprachanimation

Sprachanimation soll in erster Linie die Neugier der Teilnehmenden wecken: für das andere Land, seine Kultur, seine Sprache und seine Menschen. Durch die spielerischen Methoden wird ihnen die Angst vor den „Anderen“ und der anderen Sprache genommen, indem man ihnen aufzeigt, dass Kommunikation auch mit nur geringen Sprachkenntnissen möglich ist und trotzdem Spaß machen kann.

So werden Hemmschwellen überwunden, die das Aufkommen einer natürlichen Kommunikation oft verhindern, und es entstehen eine interkulturelle Gruppendynamik und ein wirklicher Austausch zwischen Teilnehmenden verschiedener Herkunft. Die Kinder und Jugendlichen entwickeln Kommunikationsstrategien und Eigenschaften wie Offenheit, Toleranz und Neugier, die ihnen auch über die Begegnung hinaus sehr nützlich sind.

Spaß und Freude im Mittelpunkt des bewussten Spracherwerbs

Unmittelbares Ziel der Sprachanimation ist es, die Teilnehmenden immer wieder zur Kommunikation zu ermutigen und in ihnen die Lust entstehen zu lassen, ein Minimum an Wörtern und Ausdrücken zu lernen, die für das Zusammenleben während der Begegnung notwendig sind.

Darüber hinaus entsteht ein persönlicher Bezug zur Fremdsprache, wenn diese als Mittel zur Kommunikation erlebt wird und nicht als Schulfach. Sprachanimation stellt Jugendlichen die sprachlichen Mittel zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, sich zu Themen zu äußern, die sie direkt betreffen. Dadurch gewinnt die erlernte Sprache an unmittelbarer Nützlichkeit und die Lernenden gewinnen durch ihre neuen Möglichkeiten, sich auszudrücken, an Selbstbewusstsein. So entsteht der Wunsch, mit der anderen Sprache und Kultur in Kontakt zu bleiben.

Gleichzeitig wird den Kindern und Jugendlichen vor Augen geführt, dass durch die Begegnungssituation selbst Spracherwerb stattfindet, indem Sprachenlernen als Prozess des gegenseitigen wohlwollenden Korrigierens wahrgenommen wird.

Da sie den Spracherwerb als bewussten Vorgang erleben und besser verstehen lernen, entwickeln die Teilnehmenden ein persönliches Interesse daran, sich neue Lernstrategien anzueignen. Durch die spielerischen Aktivitäten der Sprachanimation, die die Memorisierung und das systematische Lernen begünstigen, wird den Teilnehmenden aufgezeigt, dass effiziente Lernstrategien vielseitiger sind als das Auswendiglernen von Vokabelkarten. Das motiviert sie und hält sie langfristig zu einem systematischen Lernen an.

Diese Systematisierung hilft dabei, über das Erlernte zu reflektieren und die Struktur einer Sprache zu erkennen. Das Wiederholen, Verinnerlichen und Verfestigen der Lerninhalte führt zum Bewusstwerden über den individuellen Fortschritt, zur Entwicklung eines differenzierten Sprachgefühls und zur Fähigkeit, das Erlernte in anderen Kontexten aktiv anwenden zu können.

Welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Sprachanimation geschaffen werden?

Sprachanimation bietet die Möglichkeit, eine sprachliche Dimension in ein binationales oder trilaterales Programm einzubeziehen, ohne dabei einen Sprachkurs im herkömmlichen Sinne zu veranstalten. Für eine gelungene Umsetzung sollten die Organisatorinnen und Organisatoren jedoch auf geeignete Rahmenbedingungen achten und vor allem die Begleitung der Sprachanimation durch ausgebildete Sprachanimateurinnen und -animateure gewährleisten.

Rahmenbedingungen

Erste Voraussetzung für die Durchführung von Sprachanimationen ist natürlich eine mindestens binationale Gruppe, in der die Teilnehmenden möglichst viel Kontakt zu Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern der anderen Sprache bzw. Sprachen haben, zum Beispiel durch eine gemischte Zimmerbelegung.

Besonders geeignet sind Drittortbegegnungen, da so alle Teilnehmenden in einer ungewohnten Umgebung sind und sich ihr anpassen müssen.

Um Sprachanimation anbieten zu können, braucht die Gruppe einen Raum. Denn ein Gruppenraum kann an sich schon einen Ort der Begegnung, der Kommunikation darstellen. Dort können sich die Jugendlichen treffen, wenn sie „nichts zu tun haben“, denn Kommunikation findet häufig in den informellen Momenten der Begegnung statt.  Gerade für Aktivitäten, in denen auf Visualisierungsmethoden zurückgegriffen wird, ist ein Gruppenraum unerlässlich. Plakate können aufgehängt werden und während der Begegnung dort hängen bleiben. Die Teilnehmenden haben so die Möglichkeit, die aufgeschriebenen Vokabeln mehrmals anzugucken, anzuwenden oder neue hinzuzufügen.

Sprachanimation sollte einen festen Platz im Programm von interkulturellen Begegnungen bekommen, an die Bedürfnisse der Teilnehmenden angepasst werden und mindestens eine Stunde am Tag stattfinden. In den formellen Phasen sollten spezifische Methoden wie Spiele, Aktivitäten und Lernen im Tandem zur Anwendung kommen. Informell durchzieht die Sprachanimation am besten unterschwellig und den gesamten Tag und kommt zu jeder sich bietenden Gelegenheit zur Anwendung.

Die Rolle der Sprachanimateurinnen und -animateure

Sprachanimateurinnen und -animateure zeichnen sich durch ihre Erfahrungen in binationalen Begegnungen sowie ihre guten Kenntnisse in der Partnersprache aus. Sie beobachten die natürliche Kommunikation zwischen den Jugendlichen und ihre Strategien, die sie einsetzen: Welche Motivation liegt zugrunde, wann genau wird diese Art von Kommunikation eingesetzt und wie verläuft sie?

Die den Jugendlichen vorgeschlagenen binationalen Aktivitäten erzeugen Begegnungssituationen, die das Bedürfnis zu kommunizieren wecken. Gerade diese Begegnungssituationen sind es, auf die man zurückgreifen wird, um sprachliche Lösungsansätze vorzuschlagen, die eine verbale Kommunikation ermöglichen. Erst die spielerischen Aktivitäten, in denen diese sprachlichen Elemente wieder aufgegriffen werden, erlauben einen Spracherwerb. 

Indessen bleibt die Begegnungssituation zwischen den Jugendlichen der eigentliche Antrieb für die Sprachanimation, da durch sie erst ein wirkliches Interesse für die Sprache entsteht. Die Jugendlichen erleben hier die Sprache als ein Kommunikationsinstrument und nicht als Selbstzweck.  Mit Hilfe der Sprachanimateurinnen und -animateure sollen sie auch erfahren, dass es Spaß machen kann, eine Fremdsprache zu lernen.

Sprachanimateurinnen und -animateure sind keine Sprachlehrkräfte und bieten demnach auch keinen Sprachkurs im traditionellen Sinne, sondern eine an die unmittelbaren Bedürfnisse der Jugendlichen angepasste Hilfe an. In persönlichen Gesprächen oder in kleinen Gruppen führen sie fehlende und richtig benutzte Wörter und Ausdrücke ein, um sie, sei es in der Klein- oder auch in der Großgruppe, in spielerischer Form zu wiederholen; nur so werden diese tatsächlich gefestigt. Dies kann ein gemeinsames Zusammentragen von Vokabular auf einer Wandzeitung bedeuten, wobei das Vokabular nach Themen geordnet wird, oder aber auch ein gemeinsames Sich-Bewusstwerden der angewendeten natürlichen Strategien, das den Lernprozess erheblich fördert.

Qualifizierte vom DFJW zertifizierte Sprachanimateurinnen und -animateure können über die DFJW-Teamer/innen-Datenbank für die Begleitung von Jugendbegegnungen angefragt werden.

Sprachanimation: Fortbildungen und weiterführende Informationen

Aus- und Fortbildungen zur Sprachanimation

Mehrere Fortbildungen zur Sprachanimation werden jedes Jahr vom DFJW und seinen Partnern organisiert. In diesen Fortbildungen wird die Methode der Sprachanimation vermittelt und die Teilnehmenden erleben dabei selbst eine binationale Begegnung, da die Hälfte der Teilnehmenden aus dem Partnerland kommt und auch das Leitungsteam binational aufgestellt ist. Gegenstand dieser Seminare sind unter anderem die Prinzipien und Ziele der Sprachanimation, Aktivitäten die den Spracherwerb fördern, Gruppendynamik, Rolle des Sprachanimateurs, Interkulturelles Lernen etc. Die Inhalte werden praxis- und erlebnisorientiert in Form von Simulationen, Workshops, Spielen, Gruppenarbeit und Diskussionen vermittelt und fördern die Reflexion und Interaktion der Teilnehmenden.

Die Fortbildungen zur Sprachanimation werden Animateurinnen und Animateuren und Lehrkräften empfohlen, die eine deutsch-französische oder trilaterale Begegnung planen bzw. durchführen werden und eine Sprachanimation einbeziehen wollen.

Literaturhinweise

  • DFJW/OFAJ, Sprachanimation in deutsch-französischen Jugendbegegnungen, Berlin Neuauflage 2013
  • BDP/Gwennili/AZS, Leitfaden zur Sprachanimation in trinationalen Begegnungen „Sag was!, Dis moi! Powiedz cos!, 2009
  • DSJ/CNOSF „Bewegte Sprachanimation – Eine Publikation der Deutschen Sportjugend im DOSB e.V. und des Comité national olympique francais, 2017
  • Sprachanimation – inklusiv gedacht, IJAB, 2015
  • Deutsches Sozialwerk/Entraide Allemande, Leitfaden zur Sprachanimation, Paris 2005 (vergriffen)