Anlässlich des 60. Geburtstags des Elysée-Vertrags gibt das DFJW jungen Menschen das Wort zu Themen, die ihnen am Herzen liegen. Entdecken Sie ihre Erfahrungen, ihre Ideen und ihre Gedanken.

von Catherine Hardouin

Ich bin Deutsch-Französin, meine Familie ist polyglott und wir haben immer Sprachen, Wörter und Akzente gemischt, um miteinander zu sprechen. Aber in dem 800-Seelen-Dorf unweit der Schweizer Grenze, in dem ich aufgewachsen bin, war das eher eine Seltenheit.

Eines Tages, vor sieben Jahren, landete ich in Berlin in den Büros des DFJW, um einen Deutsch-Französischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Dort lernte ich Leute kennen, ich Menschen, die ihren Satz auf Deutsch begannen und auf Französisch beendeten... Fast wie zu Hause.

Seitdem habe ich Berlin nicht mehr verlassen. Heute sprechen die meisten meiner Freunde hier im Alltag mehrere Sprachen. Französisch und Deutsch, aber auch Spanisch, Englisch, Türkisch und Polnisch. Weil es - wie bei mir - die Sprachen sind, mit denen sie aufgewachsen sind, oder weil sie sich dafür entschieden haben, sie zu lernen. Eigentlich nichts sehr Originelles: Laut des Europäischen Zentrums für Moderne Sprachen sind 60 bis 75 % der Weltbevölkerung mindestens zweisprachig. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das 7 Milliarden Menschen, die zwischen 6000 und 70 000 verschiedene Sprachen sprechen. Aber wie fühlt es sich an, so viele verschiedene Wörter und Laute im Kopf zu haben?

Passeports"Es gibt mir Selbstvertrauen und macht mich glücklich. Ich habe das Gefühl, dass ich, egal wo ich bin, immer mit jemandem in der U-Bahn quatschen und Freundinnen finden kann", antwortet mir Bérengère, eine Freundin und Geigerin, als ich sie frage, ob das Sprechen mehrerer Sprachen ihre Persönlichkeit beeinflusst. Andere haben den Eindruck, dass sich die Persönlichkeit je nach gesprochener Sprache ändert: "Auf Deutsch und Türkisch bin ich introvertierter, auf Französisch oder Englisch merke ich, dass ich schlagfertiger bin!", erzählt Elif, die mit vier Sprachen jongliert. Auch die Journalistin Nicole Chang hat sich für die BBC in einem von Courrier Internationalveröffentlichten Beitrag mit dem Thema befasst. In ihrem Artikel versucht sie, die Verwirrung in Worte zu fassen, die man manchmal empfindet, wenn man Wörter, Akzente oder Ausdrücke durcheinanderbringt. Sie erklärt anhand wissenschaftlicher Experimente, dass die Beherrschung von Sprachen manchmal wie ein innerer Wettkampf wirken kann, sich im Laufe des Lebens verändert, aber immer ein Vorteil ist - im Alltag, im Beruf und sogar für die Gesundheit!

Sprachen voneinander abzugrenzen oder im Gegenteil alles zu mischen: Das bedeutet auch, die eigene Identität in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang erklärt der Schweizer Wissenschaftler François Grosjean in seinem Buch "Parler plusieurs langues. Le monde des bilingues", das 2015 erschienen ist, dass eine zweisprachige Person kein Nebeneinander von zwei oder mehreren Einsprachigen ist. Ganz im Gegenteil: Sie ist ein "vollwertiges Kommunikationswesen", ebenso wie "Bikulturalität die Synthese der Normen zweier Kulturen in einem einzigen Verhaltensrepertoire bewirkt".

Dieser Lernprozess, den man in der Familie, bei einer internationalen Begegnung oder im fröhlichen Chaos einer Berliner U-Bahn, in dem niemand die gleiche Sprache spricht, erfährt, eröffnet in der Tat ungeahnte Horizonte.

Jeunes Dos Berlin ArticleCHardouinNeue Perspektiven entstehen, wenn wir endlich ein Wort oder eine Idee verstehen, die in unserem Universum bislang nicht existierte. Und es rüttelt an einer ganzen Reihe von Dingen, die man ein wenig zu schnell für gewiss gehalten hat: Eine Muttersprache kann man nie verlernen? Und dann kann man auf einmal keine zwei Sätze mehr schreiben, ohne ein Wort in der anderen Sprache zu verwenden, das besser zu passen scheint. Bedeutet irgendwo wohnen zwangsläufig, dass man sich zu Hause fühlt? Wenn man in ein anderes Land geht und dort zum Expat/Immigranten/Ausländer wird, kann man den Eindruck gewinnen, dass man erst um Erlaubnis fragen muss. Kann man zwei Kulturen angehören? Klar geht das, aber ist man in diesem Fall voll und ganz beides, oder nur zur Hälfte?

Das kann einem schon ein bisschen schwindelig werden. Wie ein kleiner innerer Turm von Babel, den man von oben betrachtet. Schwindelerregend und bereichernd, denn interkulturelles Lernen und Auslandserfahrungen ermöglichen es, sich selbst zu hinterfragen und eine neue Perspektive zu erhalten. Andere Weltanschauungen zu entdecken und die eigene aus der Distanz zu betrachten, vermittelt in jedem Fall ein echtes Gefühl von Freiheit.

Das ist es, was das DFJW in seinen Austauschprogrammen und internationalen Begegnungen erfahrbar macht: interkulturelles Lernen. Und dazu muss man nicht einmal eine andere Sprache als die eigene sprechen. Mit Hilfe von Methoden der Sprachanimation (die man übrigens auch erlernen kann) werden spontane und spielerische Kommunikationsmittel aufgezeigt und erkundet. Gesten, Spiele, Lieder oder Zeichnungen bieten einen Zugang zur Sprache und Kultur des anderen. Die Teilnahme an einer dieser Begegnungen ist ein besonderer Moment, um seinerseits eine interkulturelle Erfahrung zu machen und eine neue Facette von sich selbst zu entdecken!

 

Catherine Hardouin ist Deutsch-Französin und lebt in Berlin. Im Jahr 2016 absolvierte sie einen deutsch-französischen Freiwilligendienst beim DFJW in Berlin. Sie ist Absolventin von Sciences Po Grenoble und ausgebildete Journalistin und arbeitet heute als Beauftragte für Kulturprojekte und Redakteurin.